Der Immobilienmarkt in Zeiten von Corona ...

Der Immobilienmarkt in Zeiten von Corona

Vielleicht fühlen sich viele schon genervt, immer nur über Corona zu hören oder zu lesen.
Wir möchten hier aber nicht über die Krankheit sprechen. Dafür sind andere Experten zuständig, und manchmal habe ich das Gefühl, dass es bald mehr Experten als Infizierte gibt.

Uns interessiert, was sind die Auswirkungen auf den Immobilienmarkt. Obwohl die Wohneigentumsquote in der Schweiz im internationalen Vergleich relativ gering ist, nur knapp 40 Prozent aller dauernd bewohnten Liegenschaften werden von ihren Eigentümern selbst bewohnt, ist es für die meisten die wohl grösste Investition die sie je getätigt haben. Da ist es verständlich, dass man natürlich auch interessiert ist, was der Einfluss der Corona-Pandemie auf den grössten Vermögenswert ist und wie sich der Markt entwickelt.

In nur vier Monaten eroberte das neuartige Coronavirus fast den gesamten Globus und zwang Länder weltweit zur drastischen Einschränkung der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens.
In der Schweiz stufte der Bundesrat am 16. März 2020 die Situation als «ausserordentliche Lage» ein und beschloss den sogenannten «Lockdown». Ein mulmiges Gefühl ging durch die Bevölkerung. Sicher werden viele die Bilder aus Bergamo nicht so schnell vergessen.

Gehen wir zurück auf die Quartalsberichte der Immobilienexperten Wüest & Partner sowie IAZI anfangs Jahr, die mitten im Lockdown publiziert wurden und vergleichen sie dann mit den neusten Berichten.
Wir beschränken uns dabei auf Einfamilienhäuser und Wohnungen.
Wüest & Partner, Einschätzung der kommenden Entwicklungen, Publikationsdatum: 19. März 2020:

Beliebtes Wohneigentum

Wohneigentum geniesst in der Schweiz eine ungebrochene Beliebtheit, was sich auch durch die Coronavirus-Krise nicht fundamental ändern wird. Im Gegenteil, die Präferenz für hohe Wohnqualität und für die eigenen vier Wände könnte in dieser Zeit gar noch gestärkt werden.

Kurzfristig dürften sich aufgrund der konjunkturellen Turbulenzen die Möglichkeiten für den Erwerb von Wohneigentum einschränken. Denn es ist möglich, dass die für Wohneigentum wichtigen höheren Einkommensklassen zwischenzeitlich sinkende Gesamtlöhne und Wertverluste bei ihren Eigenmitteln verkraften müssen. Dies würde zu einer Dämpfung der Nachfrage nach Wohneigentumsobjekten und damit einhergehend wohl auch zu einem temporären Druck auf die Preise für Stockwerkeigentum und Einfamilienhäuser führen.

Angebot geht zurück, Finanzierungsumfeld bleibt attraktiv

Auch im Wohneigentumssegment ist eine rückläufige Marktversorgung mit neuen Objekten zu erwarten. Das verringerte Angebot wirkt im gegenwärtigen Umfeld der Unsicherheit und der kurzfristig sinkenden Nachfrage und Zahlungsbereitschaft stabilisierend. Ebenfalls einen stützenden Effekt haben die sehr attraktiven Finanzierungskonditionen. Die Hypothekarzinsen sind äusserst tief und könnten gar noch weiter sinken. Pensionskassen könnten mangels lukrativer Alternativen ihr Hypothekargeschäft zu attraktiven Bedingungen weiter ausbauen. Wenn sich die Lage verhältnismässig rasch normalisiert, dürfte die Nachfrage nach Wohneigentum aufgrund des vorteilhaften Finanzierungsumfelds schnell ansteigen.

Preispendel schlägt bei Eigentumswohnungen stärker aus als bei Einfamilienhäusern

Die Erfahrung zeigt, dass die Preise von Eigentumswohnungen bei einem konjunkturellen Rückgang stärker sinken als die Preise von Einfamilienhäusern. Dies könnte auch in der jetzigen Situation der Fall sein, wobei in beiden Teilsegmenten Preisrückgänge möglich sind. Allerdings ist gemäss aktueller Informationslage nicht von Preiseinbrüchen auszugehen.

Voraussichtlich keine Kreditausfälle bei kurzer Rezession

Selbst beim derzeit möglichen Rückgang der Marktwerte dürfte die grosse Mehrheit der finanzierten Wohneigentumsobjekte über dem Belehnungswert der Banken bleiben. Kreditausfälle und Zwangsversteigerungen wären erst bei einer über mehrere Jahre anhaltenden Krise zu erwarten. Davon wird jedoch im Moment nicht ausgegangen. Es deutet ausserdem alles darauf hin, dass Wohneigentum im Vergleich zu vielen anderen Vermögensklassen – wie beispielsweise Aktien – weniger an Wert verliert.

Wüest & Partner, Immobilienmarkt Schweiz 2020 /3, Publikationsdatum: 7. August 2020:

Temporäre Einschränkungen beim Handel mit Wohneigentum

In den letzten Monaten herrschte grössere Zurückhaltung sowohl beim Kauf als auch beim Verkauf von Eigenheimen. Einerseits dürften die wirtschaftlichen Unsicherheiten gewisse Käuferkreise dazu bewogen haben, den Traum von den eigenen vier Wänden ein wenig aufzuschieben. Andererseits waren während der Phase des Lockdowns die Möglichkeiten zur Objektbesichtigung stark eingeschränkt. Demzufolge erstaunt es nicht, dass die Zahl der inserierten Eigentumswohnungen im April 2020 um mehr als 10 Prozent unter dem Vorjahresmonat lag. Im Mai ist die Angebotsmenge aber wieder auf das Niveau vom Februar gestiegen.

Zurückhaltende Neubautätigkeit und robuste Eigenheimnachfrage

Derzeit spricht einiges dafür, dass sich die Schweizer Wohneigentumsmärkte trotz der Coronakrise gut behaupten werden:
Das Interesse an Wohneigentum ist hierzulande generell gross. Diejenigen, die den Kauf eines Eigenheims bereits vor der Krise in Erwägung gezogen haben, werden daran wohl auch weiterhin festhalten.
Mit den schrittweisen Lockerungen kehrt zudem das Vertrauen in die Wirtschaft und damit in die persönliche finanzielle Lage zurück.
Darüber hinaus ist das Finanzierungsumfeld – einer der wichtigsten Nachfragetreiber im Eigenheimsegment – für Kaufinteressenten zuletzt wieder attraktiver geworden. Nachdem die Hypothekarzinsen zu Beginn der Coronakrise temporär zulegten, zeigt die Zinskurve inzwischen wieder nach unten.
Ende Mai 2020 betrug der durchschnittliche Zinssatz für eine zehnjährige Festhypothek noch 1.15 Prozent und näherte sich damit wieder dem Allzeittief.
Infolge der geringen Neubautätigkeit sehen sich potenzielle Käuferinnen und Käufer vielerorts einem begrenzten Angebot gegenüber. Dies ist bei den Einfamilienhäusern schon länger der Fall, aber auch bei den Eigentumswohnungen ist die Auswahl mittlerweile kleiner geworden. Die Baugesuche, ein wichtiger Vorlaufindikator, bewegen sich per Ende Mai 2020 ebenfalls auf tieferen Niveaus.

Werden Eigenheime nun günstiger?

Im landesweiten Durchschnitt verzeichneten die gehandelten Eigentumswohnungen im ersten Quartal 2020 ein mittleres Preiswachstum von 1.6 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal.
Ein noch höheres Preiswachstum von 3.5 Prozent wiesen im gleichen Zeitraum die gehandelten Einfamilienhäuser auf. Auswirkungen der Coronakrise sind in den Daten über den hiesigen Eigenheimmarkt zwar noch nicht ersichtlich; nichtsdestotrotz ist es aber wahrscheinlich, dass die Preisdynamik in diesem Jahr abflachen wird.
Die aktuelle Rezession dürfte die Haushaltseinkommen schmälern – und damit auch die Zahlungsbereitschaft für Wohneigentum. Das Preis-Leistungs-Verhältnis wird in beiden Segmenten vermehrt in den Vordergrund rücken.
Während sich die Preise von Einfamilienhäusern erfahrungsgemäss als vergleichsweise stabil erweisen dürften, ist bei den Eigentumswohnungen eher mit Preisrückgängen zu rechnen.

Zurückhaltung bei «Buy to let»-Käufern

Rund ein Viertel der Wohnungskäufer erwerben heutzutage Eigentumswohnungen zum Zweck der Weitervermietung. Da der Schweizer Mietwohnungsmarkt bereits überversorgt ist und die Vermietung vor dem Hintergrund der Coronakrise noch anspruchsvoller wird, sind die Risiken dieses Modells deutlich gestiegen. Dementsprechend dürfte diese Käufergruppe künftig wohl zurückhaltender agieren.

Zusammenfassung - Regio- Immo-Gazette - Rinaudo & Kiss Immobilien