Herausforderungen der Gebäudepolitik 2050+

Hindernislauf mit regionalen Unterschieden

Nach Annahme des Klimaschutzgesetzes steht fest: Gebäude müssen bis 2050 klimaneutral betrieben werden. Dafür werden über zehn Jahre hinweg 2 Milliarden Schweizer Franken für das Gebäudeprogramm aufgewendet. Doch wohin geht dieses Geld eigentlich und welche Herausforderungen stehen dem Ziel eines grünen Gebäudeparks im Weg? Am Beispiel von Mieterschutz, Wärmepumpen und Solaranlagen zeigt IAZI, dass ohne eine konsequente Vereinfachung von energetischen Sanierungen Gebäude Energieschleudern bleiben werden.

Was ist klar. Aber wie?

Das Ziel ist gesetzt: Der Netto-Null-Artikel ist nun im Bundesgesetz verankert, das Ergebnis folgt dem grünen Megatrend. Unklar ist freilich der Weg zum Ziel. Sicher ist nur, dass der Kampf um neue Vorgaben und Verbote für Immobilieneigentümer in den kommenden Jahren vorrangig auf Kantonsebene ausgefochten wird. Aus dem Abstimmungsresultat leitet etwa Roberto Schmidt (Mitte), Leiter der kantonalen Energiedirektoren (EnDK) einen Auftrag zu strengeren Bestimmungen ab: Er deutete an, die Vorschriften im Heizungsersatz massiv zu verschärfen und den Einsatz erneuerbarer Energien beim Heizungswechsel auf 100% zu erhöhen. Als Vorbild dienen die Kantone Basel-Stadt, Zürich und Glarus. Zudem sei eine Ausweitung der Produktionspflicht für Eigenstrom auch für bestehende Bauten vorgesehen. Wie jedoch die aus dem Klimaschutzgesetz stammenden Subventionen verteilt werden, ist laut Schmidt noch unklar. Allerdings sollten bestehende Empfänger nicht noch stärker profitieren. Vielmehr müssten die Milliarden in neue Bereiche fliessen, wie beispielsweise den Ersatz elektrischer Widerstandsheizungen oder die Unterstützung von Mehrfamilienhäusern mit mehreren Eigentümern.

Allrounder Gebäude: Die Energiedrehscheibe

Bereits 2022 berichtete IAZI: Bei der Energiepolitik im Gebäudesektor spielt die Musik in den Kantonen. Die Kantone veröffentlichten Ende letzten Jahres das Strategiepapier «Gebäudepolitik 2050+». Die Vision der kantonalen Energiedirektoren besteht darin, Gebäude zu sogenannten Energiedrehscheiben zu machen: Sie sollen mit Photovoltaikanlagen den benötigten Strom für Wärmepumpe und Haushalt selbst produzieren, Energie und Wärme speichern und Elektroautos aufladen. Für die Erreichung der festgesetzten Klimaziele sind jährlich rund 2,1 Milliarden Schweizer Franken Investitionen im Gebäudebereich erforderlich, wie IAZI im letzten Newsletter-Artikel dieser Serie betonte.

Diese Investitionen können jedoch nur effizient und zielgerichtet getätigt werden, wenn die bürokratischen Hürden minimal und die Rahmenbedingungen einheitlich sind. Tatsächlich gleicht der Weg zur Umsetzung mitunter einem bürokratischen Hindernislauf. Vorschriften und Pflichten variieren von Kanton zu Kanton, denn die Energiepolitik im Gebäudebereich sowie gewisse Bereiche im Mietrecht liegen in der Zuständigkeit der Kantone.

Energetische Sanierungen vs. Mieterschutz

Keine Energiedrehscheiben sind die Gebäude in Genf: Mit dem höchsten Anteil an Öl- und Gasheizungen in Wohngebäuden gehört der Genfer Gebäudepark zu den sanierungsbedürftigsten der Schweiz. Eine vollständige Überwälzung der Kosten auf die Mieter ist nach dem Mietgesetz LDTR* nicht möglich. In Basel gelten seit letztem Jahr die gleichen Regeln: Möchte eine Investorin energetisch sanieren, muss sie in Basel zusätzlich zu einer Bewilligung ein Gesuch bei der neu geschaffenen Wohnschutzkommission einreichen. Diese prüft etliche Dinge, etwa, ob die baulichen Massnahmen «dem Charakter der Quartiere konform sind». Seitenlange Formulare sind keine Seltenheit. Möchte besagte Investorin selbiges in Zug oder Zürich tun, ist lediglich eine Baubewilligung notwendig, und die Kosten können mehrheitlich überwälzt werden. Der Zielkonflikt zwischen einem erneuerbaren Gebäudepark und preisgünstigem Wohnbau ist nicht neu, wird sich jedoch in den nächsten Jahren verschärfen. Genf versuchte, dieses Dilemma mit drastischen Massnahmen zu bewältigen: Um die Sanierungsquote anzuheben beschloss die Regierung letztes Jahr per Verordnung, die zulässigen Energiegrenzwerte für den Gebäudepark stark zu senken. Über Nacht fielen etliche Gebäude unter eine Sanierungspflicht. Darauf regte sich jedoch Widerstand. Der Entwurf wurde abgeschwächt.

*Loi sur les démolitions, transformations et rénovations de maisons d'habitation

Wärmepumpe und Solar gehören zusammen

Um der Vision der Energiedrehscheibe näher zu kommen, sollten schnell und möglichst überall Solaranlagen installiert werden. Diese stellen den Strom für Wärmepumpen oder elektrische Autos bereit. Ein grosses Hindernis, das dem Ausbau von Solaranlagen im Weg steht, ist der von Gemeinde zu Gemeinde variierende Vergütungssatz für Solarstrom. Die Rentabilität einer Solaranlage hängt stark vom lokalen Satz und den Strompreisen ab. Zu diesem Resultat kommt eine Studie der ETH Zürich und der Universität Bern: Während eine Solaranlage mit einer Leistung von 12 kW für ein Einfamilienhaus in Rümlang (ZH) eine Rendite von rund 6 Prozent über 30 Jahre abwirft, resultiert in Kloten (ZH) mit derselben Anlage sogar ein leichter Verlust.

Rentabler werden die Solaranlagen in Kombination mit Wärmepumpen. Diese benötigen jedoch mehr Strom als fossile Heizsysteme. Ist die Stromproduktion aber emissionsarm, gilt das auch für die Wärmepumpe. IAZI hat die Vorgaben der Kantone analysiert und kommt zum Ergebnis: Vereinfachte Vorgaben gibt es nur in wenigen Kantonen (eine Anpassung der Lärmschutzvorschriften ist auf Bundesebene vorgesehen).

GEAK, Betriebsoptimierung und wie bitte?

Auch die Regelungen zum Gebäudeenergieausweis der Kantone (GEAK) und etlichen anderen Vorgaben variieren stark. Die Kantone Basel-Stadt, Freiburg, Luzern, Waadt und Zürich verlangen für bestimmte Bauten die Erstellung eines GEAK. Im Gegenteil dazu möchten das Wallis, Uri und Solothurn nichts von solchen Vorgaben wissen. Hängig ist zudem ein Vorstoss in Waadt, der die Einführung einer GEAK-Pflicht fordert. Eigentümer von Nicht-Wohnbauten in Basel-Stadt, Bern, Schaffhausen, Thurgau und Zürich müssen alle drei Jahre die Heizungen und Lüftungen im Betrieb optimieren. Alle anderen Kantone kennen keine solchen Vorgaben. Das sind nur wenige von unzähligen Beispielen.

Wie geht es weiter: Energiedrehscheiben oder Energieschleudern? Der Druck nimmt zu.

In fünf bis sechs Jahren seien die strengen Standards der MuKen spätestens in den Kantonen umgesetzt, so Schmidt von der EnDK. Schützenhilfe kriegt er vom Bundesgericht: Im April dieses Jahres hat das Gericht das Verbot für fossile Heizungen als «mit dem Eigentumsrecht vereinbar und verhältnismässig» erklärt.

Die Vielfalt der Vorschriften und Regeln stellt vor allem Privatpersonen vor grosse Herausforderungen. Sie verfügen oft nicht über die nötigen Ressourcen für den Durchblick im Regulierungsdickicht. Auch Investoren werden durch die Vielzahl unterschiedlicher und schnell ändernder Regulierungen abgeschreckt – Konsistenz wird vergebens gesucht. Dadurch werden Gebäude nicht zu Energiedrehscheiben, sondern bleiben im schlechtesten Fall Energieschleudern.

In der nächsten Ausgabe widmet sich IAZI-Quarterly dem dritten Hindernis für einen grünen Gebäudepark: die fehlende einheitliche Datengrundlage im Gebäudebereich.
Fördergelder auf einen Blick

Die Rentabilität der Anlagen ist ebenfalls stark von den Förderungen abhängig, welche kantonal geregelt sind. Hier bietet IAZI mit den ESG-Modulen eine praktische Hilfestellung an. Mit wenigen Klicks erhalten Sie eine Übersicht der für den Objektstandort verfügbaren Optionen inklusive Informationen zum Beantragungsprozess.